Im letzten Teil der gelungenen Serie „Meereskundliche Betrachtungen“ konnte man sich bereits ein Bild von der atemberaubenden Szenerie machen, die sich vor den Augen des Betrachters an der Mittelmeerküste vor Barcelona entfaltet. Hier erfahren wir nun endlich, was der Augenzeuge weiter ins Tagebuch diktiert hat. Wie es wohl weitergehen mag?

Tag 37: Flach und fleckig, so sieht das Meer heute aus. So schlicht kann die Realität sein. Da gibt es nichts hinzuzufügen.
Tag 37 (2 Stunden später): Sagte ich flach? Nein, nein! Wellig ist es geworden, der Wind lässt das Meer unruhig werden. Was für ein aufregender Tag!
Tag 40: Auch für das Meer ist es Montagmorgen; es hat sich noch mal umgedreht, liegt nun flach auf dem Rücken und döst noch fünf Minuten.
Tag 41: Ja, der Frühling, der Frühling, der Frühling ist hier // Geh’n wir Möwen vergiften am Meer! // Kann’s geben im Leben ein größ’res Plaisir // Als das Möwen vergiften am Meer?
Tag 42: T-Shirt-Wetter? Regenjackenwetter? T-Shirt-Wetter? Regenjackenwetter? Ich werfe einfach all meine Kleidung ins Wasser.
Tag 42 (7 Stunden später): Nach dem Gewitter ist ein großer brauner Fleck auf dem, oder im Wasser aufgetaucht. Möwen scharen sich darum. Merkwürdig.
Tag 42 (eine halbe Stunde später): Ein wirklich merkwürdiges Schauspiel. In Küstennähe ist das Meer türkis, dann ist rechts ein großer brauner Fleck. Nach einer Überprüfung vom Balkon aus, kann gesagt werden: weiter links auch; also wahrscheinlich kein Öl, eher aufgewirbelter Sand. Weiter hinten ist es dann dunkeltürkis und der Himmel drüber ist von Gewitterwolken dunkelblaugrau (so wie es das Meer selbst oft ist).
Tag 43: Nach der Aufregung gestern hat sich das Meer erstmal wieder beruhigt und liegt lieber wieder entspannt am Strand. Wie Urlaub!
Tag 44: Auf der Suche nach Beschreibungen für Meeresbewegungen nichts gefunden, somit steht der Plan ein Buch zu schreiben, mindestens aber eine Webseite aufzusetzen, um in Zukunft Wellenformationen sowohl akkurat, als auch bildhaft beschreiben zu können. Heute erarbeitete ich mir den Begriff „böige Wellen“, wenn das Meer also im großen und ganzen eher ruhig daliegt, aber am Strand sich immer mal wieder heftige Formationen bilden.
Tag 47: Lethargisch und schwermütig wogt das Meer hin und her. Da möchte man auch gar keine ausschweifenden Kommentare hinzufügen.
Tag 48: Man könnte es schon fast als Unverschämtheit betiteln, was das Meer hier in den letzten Tagen „abliefert“!
Tag 49: Treffen sich zwei Segelboote und ein Motorboot auf dem Mittelmeer. Sagt das Motorboot: „Kaum zu glauben, dass wir hier so herumfahren.“ Antwortet das eine Segelboot: „… Nein, ich glaube, hier ist an Witzigkeit nichts zu holen. Nein, nein.“
Tag 50: Keine einzige richtige Welle ist zu sehen. Das Meer glitzert und kräuselt sich ein wenig in der Morgensonne, aber das war es auch. Faules Meer, faules.
Tag 50 (2 Stunden später): Nun ist das Meer verschwunden. Wie beinah die gesamte Stadt. Das Nichts scheint sich zu nähern und uns alle hinfortzunehmen. Sonnenschein und Nebelwand? An was für einem Ort lebe ich eigentlich?
Tag 51: Die Sonne brennt erbarmungslos auf Stadt und Meer, die Menschen stöhnen und schwitzen, das Meer sagt nichts und verdunstet. So unterschiedlich sind wir.
Tag 54: Träge und doch kraftvoll wirft sich das Meer gegen das Land und versucht es kaputt- und hinfortzuspülen. Wie lange es wohl noch dauert, bis es das geschafft hat?
Tag 55: Die Möwen lachen und das Meer frohlockt, es schäumt geradezu über vor Freude! Endlich hat das gräuliche Grauen ein Ende und die Sonne funkelt auf der glatten Oberfläche. Ein idealer Tag zum Arbeiten!
Tag 56: Was einen beim Radeln schon vermuten ließ, lässt sich mit dem weitschweifenden Blick verifizieren: Der Wind setzt dem Meer ganz schön zu und peitscht es – wider seinen Willen wie es scheint – auf und an den Strand. Immerhin hat es, im Gegensatz zu mir, Rückenwind.
Tag 57: Puh! Was für ein stürmischer Tag! Kein Wunder, dass das Meer so aufbrausend war.
Tag 58: Dunkle Wolken werden vom Wind vom Meer herauf über die Stadt gewälzt; es stürmt und peitscht der Wind, dass es eine wahre Freude ist (wenn man nicht eine schwache Person ist, die eine Autotüre zu öffnen versucht). Starker Wellengang ist die Folge, sodass vom Surfkurs nur die mindestens Dreitägigen auf die Bretter dürfen.
Tag 61: Nach wochenendlichem starken Wellengang (rote Flagge am Strand! Badeverbot!!) hat sich das Mittelmeer soweit wieder beruhigt und schwappt nur sporadisch an den Strand. Geodätischmaritimer Fun Fact: NN steht nicht wie viele denken für „Normalnull“, sondern für „Nasse Nippel“ und ist ein Maß für die Wellenhöhe.
Tag 62: Grau, grau, Regen, grau, windig und grau. Was ist denn hier los, Barcelona? Die einzig logische Erklärung ist, dass meine baldige Abreise beweint wird. Pathetisch und unrealistisch, aber was soll man machen, wenn es die einzig logische Erklärung ist? Lass uns gemeinsam traurig sein, Meer!
Tag 63: Zu einer einzigen grauen Masse sind Meer, Himmel und der Rest von Barcelona verschmolzen. Dazu ist auch noch der Himmel leck. Fühle mich wie zuhause.
Tag 64: Man hielt es kaum mehr für möglich, doch er ist wieder da! Nein, nicht Adolf Hitler. Der blaue Himmel! Das Meer erfreut sich ebenso wie ich, entspannt aber lieber am Strand. Hat es sich aber auch verdient, nach der ganzen Wellenarbeit der letzten Tage.
Tag 65: Platt liegt es da, glitzert träge vor sich hin. Unaufgeregt und unaufregend.
Tag 68: Das Meer liegt von der aufgehenden Sonne beschienen ruhig da, Möwen kreischen ihr Gekreisch und nur ein paar Wolkenfetzen ziehen am Himmel. Idyllisch, gar paradiesisch ist’s. Und dennoch werde ich das Gefühl nicht los, es braute sich etwas zusammen.