In der Reihe „Berlin-Leipzig-Berlin-Leipzig-und so weiter“ präsentieren wir euch unsere Erlebnisse der einwöchigen Ausdauerbahnfahrt zwischen Berlin und Leipzig. Aber: was sollte das Ganze denn eigentlich?
An einem lauen Sonntagnachmittag im April (ausgedachter Tag) hatten Stani und Piotr die Idee, eine Weile mit der Bahn zu fahren. Und am besten möglichst lange am Stück. Als wir begannen, anderen von diesem Projekt zu erzählen, ernteten wir Hohn, so manchen irritierten Blick und elaborierte Fragen wie diese wurden in den Raum geworfen: „Warum?“. Und weil schon soviel Zeit seitdem vergangen ist und so viele Menschen immer noch ratlos sind, versuchen wir uns nun endlich an einer Antwort.

Die Idee
Nie hatte uns jemand beigebracht, wie man richtig Urlaub macht. Auf der einen Seite wollten wir viel reisen, auf der anderen Seite aber nicht zu weit von zu Hause weg. Viel Abenteuer zu kleinem Risiko also. Außerdem sollte die Bildung nicht zu kurz kommen, denn man hört und liest ja überall, wie die Menschen im Urlaub verdummen. Öffentliche Verkehrsmittel wollten wir auch benutzen, umweltfaschistoide Baumumarmer, die wir nun einmal sind. Insbesondere gilt, wenn man viel mit den Öffis fährt, spart man auch viel CO2. Und so ergab es sich, dass wir uns für ein Wochenticket der Deutschen Bahn entschieden, um so möglichst viel Zeit in Zügen zwischen Berlin und Leipzig zu verbringen. Damit wir nicht mit dem Pöbel gemeinsam reisen müssen, beziehungsweise, weil die Tickets nicht wirklich teurer waren, kauften wir also Erste-Klasse-Tickets. Für die Bahnnerds, hier noch mal die genauen Spezifikationen.
Die Specs
Wir kauften eine Wochenkarte für ICE, IC/EC und Nahverkehr in der 1. Klasse Berlin Alexanderpl. – Leipzig Bayer Bf, über: Berlin – Berlin Gesundbrunnen – (Jüterbog – Lutherst Wittenberg – Bitterfeld oder Potsdam – Roßlau(Elbe) – Dessau Hbf – Köthen) – Leipzig, kurz: B*BGS*(JB*WB*BTF/P*RSL*DE*KOET)*L
Wir durften uns also in dem auf der Landkarte eingezeichneten Polygon völlig frei bewegen; und das wollten wir auch soviel wie möglich tun. Schließlich mussten wir mindestens die Kosten wieder „rausfahren“. Und diese Kosten beliefen sich pro Person auf stolze 187,25 Euro, inklusive Versandpauschale und Zahlungsmittelentgelt. Klar, damals war alles noch billiger, aber dennoch zum Vergleich: eine einfache Fahrt Berlin-Leipzig in der zweiten Klasse im ICE kostet heute 47 Euro. Mit lächerlichen fünf (5!) Fahrten hätte sich das Wochenticket also bereits armortisiert.

Nicht eingepreist in unsere Urlaubskosten sind die Übernachtungskosten von 0 Euro, da wir es vorgezogen haben, Freundschaften auszunutzen: In Berlin bot uns Mikław ein Nachtlager, in Leipzig machten wir es uns bei Korlas Familie bequem.
Obendrein berechtigte uns das Ticket der ersten Klasse in die VIP-Bereiche der Bahnhöfe in Leipzig und Berlin zu gelangen: Die DB-Lounges! Aber dazu später mehr.
Das Ziel
Von Träumen zu sprechen ist vielleicht ein wenig hochgegriffen, aber von Erwartungen zu schwafeln klingt zu unspektakulär. Was wir uns von der Woche erhofften, war eine einzige wilde Feierei in der ersten Klasse, mit lauter Berühmtheiten (mindestens Kategorie C) und Businessmenschen, wie uns. Was wir erwarteten, war, dass interessante Menschen uns von ihren Ideen und Wünschen erzählen und uns in ihre Villen am Stadtrand einladen, um uns dort mit Bärlauchbionade die Bäuche zu pinseln und in die Kreise der oberen Zehntausend einzuführen. Eine Festanstellung als Personal Gaukler (neue Berufsbezeichnung) bei Joachim Gauck¹ erschien uns durchaus im Bereich des Möglichen.
Außerdem wollten wir wieder ein bisschen Schwung in unsere Freundschaft bringen, etwas Neues ausprobieren, unsere Grenzen ein wenig austesten – wir hatten ja beide noch nie 50 Shades of Grey gelesen und kamen uns deshalb ganz unschuldig vor. Oder einfach nur viel Zeit miteinander verbringen, Ideen entwickeln und Geburtshelfer spielen, gerade für Dinge, die sonst nie hätten existieren sollen. (Spoiler alert: der Grantlfant ist solch eine Idee!).
¹ sozusagen als Gauckgaukler