Unser Abenteuer in Minuten, Euro und Weingläsern

In der Reihe „Berlin-Leipzig-Berlin-Leipzig-und so weiter“ präsentieren wir euch unsere Erlebnisse der einwöchigen Ausdauerbahnfahrt zwischen Berlin und Leipzig. Nun geben wir auch endlich mal einen kleinen Überblick über das Projekt:

Da standen wir also nun am 20.10.15 um 21:01 Uhr, jeweils um 187,25 Euro ärmer, aber mit einer goldenen Zukunft vor uns. Zumindest mit einer Urlaubsplanung, die man gerne als gewöhnlich beschreiben kann. Mit unserer frisch erstandenen „Wochenkarte ICE“ konnten wir wie bereits beschrieben für eine Woche im November so viel wir wollten zwischen Berlin und Leipzig pendeln. Und das Ganze in der ersten Klasse. Obendrein durften wir in den DB Lounges an den beiden Bahnhöfen nach Belieben ein- und ausgehen und so richtig auf unsere Kosten kommen. Und das wollten wir auch ausgiebig nutzen! Der Deutsche-Bahn-Konzern sollte mit einem fetten Verlust aus der Sache rausgehen und endlich eine gute Begründung für die alljährliche Fahrpreiserhöhung bekommen.

So sehen die Berechtigungsscheine aus. Unterschreiben muss man sie noch.
So sehen die Berechtigungsscheine aus. Lediglich unterschreiben muss man sie noch und schon ist man der König der Schiene.

Um nicht unnötigen Ballast mit uns zu schleppen, ließen wir das Ticket direkt nach Berlin schicken.
Um nicht unnötigen Ballast schon bei der Anreise zu haben, ließen wir die Tickets direkt zu unserer Berliner Unterkunft schicken.
Fahrtstatistiken

In dieser einen Woche fuhren wir insgesamt 16 mal zwischen Berlin und Leipzig hin und her (je 167 km) und stiegen einmal zum Zwischenstopp in Bitterfeld aus. Außerdem fuhren wir einmal nur von Berlin nach Lutherstadt Wittenberg und wieder zurück (je 98 km) und einmal von Berlin nach Potsdam und retour (je 28 km). Also zusammen 2924 km in einer Woche, was gerade einmal eine Durchschnittsgeschwindigkeit von mickrigen 17,4 km/h ergibt. Wenn man aber die reinen Fahrtzeiten betrachtet, saßen wir 22 Stunden und 25 Minuten in Zügen, was die Durchschnittsgeschwindigkeit auf 130,44 km/h hebt. Wenn man nun noch die Bummelbahn von Bitterfeld nach Leipzig und den Regionalexpress Berlin-Potsdam-Berlin herausrechnet, kommt man auf stolze 135,8 km/h! Außerdem sind in den 1345 Fahrtminuten lediglich 18 Minuten Verspätung enthalten. Lächerlich! Da kann wirklich niemand nörgeln. Zwar gab es so gut wie keine Verspätung, wenn man aber einen Grund zum Aufregen finden möchte, so ist es der, dass es gefühlt bei der Hälfte aller Fahrten eine geänderte Wagenreihung gab und in Leipzig in 80% aller Fälle ein geändertes Abfahrtsgleis angesagt wurde – welches meist aber das gleiche war. Quasi gab es also eher selten ein geändertes Gleis.

Es soll noch Erwähnung finden, dass in die Fahrtzeiten und -kilometer die Fahrten mit den S-Bahnen der Städte, zum Beispiel vom Leipziger Hbf zum Bayerischen Bahnhof, obwohl im Ticket inkludiert, nicht eingerechnet sind. Man könnte uns in diesem Punkt Nachlässigkeit vorwerfen; wir würden eher sagen, dass wir eine uns umwehende Aura des Geheimnisvollen planten.

Von den Reichen (DB) nehmen wir's und geben es den Armen (BVG).
Wir nahmen es von den Reichen (DB) und gaben es den Armen (BVG).

Von 21 Fahrten verbrachten wir lediglich fünfkommaetwas außerhalb unseres natürlichen Habitats, davon vier im Bordbistro/-restaurant und eine ganze Fahrt wegen Überfüllung der ersten Klasse beim Pöbel in der zweiten Klasse. Außerdem fuhren wir einmal das Teilstück Berlin Südkreuz bis Berlin Hbf in der zweiten Klasse, was in erster Linie einem Zugwechsel geschuldet war, aber auch ein bisschen an uns selbst lag. Wir hätten uns beim Umstieg auch zum 1.-Klasse-Abteil bewegen können, doch: wir waren (wegen der geänderten Wagenreihung) zu faul, uns zum richtigen Waggon zu begeben.

Ganz entgegen unseres initialen Plans, Menschen zwischen Leipzig und Berlin zu interviewen und nach ihren Beweggründen zur Bewegung zu fragen, verhielten wir uns recht unsozial und unterhielten uns unterwegs mit nur vier Personen. Viele, die ihre Hoffnung auf einen dicken Interview-Band gesetzt haben, werden nun sicherlich enttäuscht sein. Zum Glück dürften das nicht allzu viele Menschen gewesen sein. Wahrscheinlich genauso viele Menschen, die Hilfe beim Koffertragen benötigten, was nur ein einziges Mal vorkam. Man sieht: Das Leben in der ersten Klasse ist bequem und still.

Kontrolliert wurden wir auf den 21 Fahrten insgesamt 19,5 Mal, wobei wir auf einer Fahrt gleich doppelt geprüft wurden. Begründet wurde dies natürlich mit dem Wechsel des Zugpersonals, wir vermuten aber, dass man uns misstraute und als „nicht-zur-ersten-Klasse-gehörig“ einstufte. Die halbe Kontrolle in der Statistik resultiert daraus, dass nur Stani sein Ticket vorzeigen musste; Piotr fuhr mit seinem guten Namen. Und auch sonst wurden wir von den Schaffnern recht freundlich behandelt: Man versuchte uns mit Gummibärchen und Crackern abzufüttern. Diese werden in kleinen Tütchen vom Schaffner in der ersten Klasse gereicht. Davon haben wir insgesamt 32 Päckchen abgegriffen und bereits überlegt, einen kleinen Süßigkeitenkiosk am Bahnhof zu eröffnen. Stattdessen haben wir nach der Reise eine Snackschlacht damit veranstaltet und uns darin gewälzt (Bild auf Nachfrage verfügbar).

Unser erstes Zuckerl!
Unser erstes Zuckerl!

Auch Zeitungen und Zeitschriften wurden stets an uns herangetragen, jedoch haben wir uns da zurückgehalten. Allein aus dem Grund, dass es Wochenzeitschriften waren. Jedoch haben wir nicht bedacht, dass es pro Tonne Altpapier (Zeitungen und Illustrierte, Deinkingware (EN 643 Nr. 1.08/1.09/1.11, vorher: D31/D39)) es im November 2015 sage und schreibe 83,30 Euro gab. Das wären bei unseren (potenziell) gesammelten Zeitungen (sieben mal die Sueddeutsche Zeitung, ein Handelsblatt, eine Welt – die online-FAZ wog nichts) und 22 Mobil-Ausgaben etwa 0,59 Euro Reingewinn geworden! Hätten wir spekuliert, die Zeitschriften als Anlage gesehen und erst im August 2016 verkauft, hätte der Altpapierpreis bereits bei 92,90 Euro gelegen und wir hätten 66 Eurocent erwirtschaftet! Also fette 7 Eurocent Spekulationsgewinn (abzüglich Lagerkosten)!

Von diesen potentiellen Einnahmen über 0,66 Euro gehen leider noch 40,40 Euro für unsere Konsumtion im Bordrestaurant ab, was uns ein wenig die Bilanz verhagelt. Dafür haben wir lieber noch 5 solcher Päckchen mitgehen lassen:

Ein weiteres Mitbringsel
Ein weiteres Mitbringsel
DB-Lounge-Statistiken

Was uns in den DB Lounges alles widerfahren ist, wurde ja bereits an anderem Orte ausführlich erörtert. Somit beschränken wir uns hier auf die wichtigsten Fakten, also was wir (und unser Gast) verkonsumiert haben:

  • 36 Tassen Heißgetränke (Kaffee, Tee, Cappuccino, etc.)
  • 43 Gläser Softdrinks (Wasser, Cola, etc.)
  • 0 Fläschchen Wein
  • 4 Biere (Pilsner Brauart, 0,33 l)
  • 6 Biere (Hefeweizen, 0,5 l)
  • 2 Pikkolo Sekt
  • 10 Sandwiches (Käse, Schinken)
  • 3 Stück Kuchen
  • 4 Teller Linseneintopf
  • 2 Schüsselchen Obstsalat
  • 5 Packungen Nüsse im Teigmantel

Bei einer moderaten Schätzung der Kosten (Supermarkt- und Stehcafépreise) kämen wir auf etwa 150 Euro, die wir vermampft und versoffen haben. Wenn wir das ganze im ICE zu uns genommen hätten, kämen wir auf stattliche 293,25 €! Hätten wir das Loungeangebot noch extremer genutzt, hätten wir schnell auch unser Ticket wieder rausgeholt.

Sonstiges

Da wir ja nicht nur im Zug und in der Lounge saßen, sondern uns auch ab und an kulturell betätigten, sollen auch diese Ereignisse Eingang in diesen Überblick finden. Wir waren bei einem Konzert, einer Varietévorstellung, einem Kulturempfang, einer Lesung und einer, nun ja, sagen wir Weinverkostung. Außerdem waren wir im Kreismuseum Bitterfeld. Also im Eingangsbereich. Und neben einer Kirche in Wittenberg.

Beim Kulturempfang der Sozialdemokratie stießen wir mit  2 Gläschen Sekt, 3 Gläsern Wein und 8 Bier auf die glorreichen Zeiten der Partei an. Und wir futterten uns mit 4 Tellern Hauptgerichten und 3 Dessertschälchen durch das Büffet.

Bei der Veranstaltung „Spitzenweine aus Südwest“ kamen wir auf 6 Teller Hauptspeise, 1 Dessert und 44 (mehr oder minder auf Probierniveau befüllte) Gläser Wein. Außerdem fiel für uns noch eine Flasche Affenwein vom Laster.

 

Hat sich dieser ganze Aufwand also gelohnt? Nein, aber das sollen doch besser andere beurteilen.