Nichts außer Lutherstadt Wittenberg

In der Reihe „Berlin-Leipzig-Berlin-Leipzig-und so weiter“ präsentieren wir euch unsere Erlebnisse der einwöchigen Ausdauerbahnfahrt zwischen Berlin und Leipzig. Diesmal präsentiert sich die Lutherstadt Wittenberg:

In der Lutherstadt Wittenberg erwartete uns beim Ausstieg aus dem Zug, was wir von Lutherstadt Wittenberg erwarteten: Nichts. Irgendwie gab es kein Bahnhofsgebäude und anstelle eines repräsentativen Gebäudes mit erstklassiger Touristeninformation fanden wir einen Container. Darinnen eine Frau, die uns nur einen schwarzweiß ausgedruckten Stadtplan der Stadt bieten konnte. Auf die Frage, ob sie uns eine schönes Café in der Stadt empfehlen könnte, sagte sie lediglich: „Nein. Ich war seit drei Jahren nicht mehr in Wittenberg in der Stadt.“ Wir fragten unisono, ob sie seitdem in diesem Container sitzen musste und ob wir ihr etwas aus der Stadt mitbringen könnten. Während wir noch ein wenig schäkerten, trat ein – mutmaßlicher – Professor für Theologie und Kunstgeschichte an uns heran und räusperte sich vernehmlich. Er sagte sonst nichts. Nur ein Heranrücken und Räuspern. Anständiges Warten und Kommunikation waren seine Sache offensichtlich nicht. Vermutlich war er auch ein schlechter Wissenschaftler. „Noch nie wurde meine Lebensfreude so schnell aus mir herausgeräuspert“, waren wir uns später schnell einig. Auf dem Weg in die Stadt verfolgte uns der alte Mann und wir konnten ihn nur mit List abschütteln: Wir gingen in ein Antiquariat und kauften Postkarten. Sehr listig.

Lutherstadt und eben nicht Postkartenstadt Wittenberg
Lutherstadt und eben nicht Postkartenstadt Wittenberg

Ansonsten begegnete uns Luther hier, Luther dort. Ein starkes Luther-Branding der Stadt durch das Stadtmarketing. Voraussehbar, aber etwas monoton. Passierte hier sonst nichts? Vor ein paar hundert Jahren wurden Brunnen und eine Wasserleitung gebaut. Irgendwer baute eine Kirche, jemand anderes malte Bilder, die heute in Kirchen stehen. Und heute steht ein Kamerateam vor der örtlichen Sparkasse. Nun ja.

LW

Auf der Suche nach einem Café waren wir immer noch auf uns allein gestellt und schöpften Hoffnung, als wir auf eine weitere Touristeninformation stießen. Dort wiederholten wir unser Begehr. „Ein Café empfehlen?“, fragte uns die junge Dame, „Ja. Da gäbe es zwei. Dieses, oder jenes.“ Wir wurden übermütig und fragten, welches sie denn als Einheimische bevorzugen würde. „Naja, in diesem war ich selber noch nicht. Und ich will ja keine Werbung machen, aber in jenem arbeite ich.“ „Na, das ist Ihnen dann ja nicht gelungen, mit dem Keinewerbungmachen“, bemerkten wir, und auf grantiges Nachfragen wieso, verschwanden wir lieber schnell. Weil dieses Café nicht auffindbar war, gingen wir doch in jenes, wo wir eine nette Zeit in guter Gesellschaft (alleine) verbrachten, bevor wir uns im Dunkeln auf den Rückweg zum Bahnhof machten. Die Tür, an die der Herr Luther seine Thesen schlug, verschmähten wir absichtlich.