Filmförderung

Der Grantlfant trieb sich mal wieder mit seinen Praktikanten in der Weltgeschichte herum und kam dabei nicht umhin, eine kleine Film- und Fernsehförderschule zu gründen. Am laufenden Band sollten dort sowohl Blockbuster als auch Autorenkinohits produziert werden und die Ideen purzelten nur so aus den Gründern heraus¹.

Zur Lieblingsidee avancierte schnell das geplante epische Meisterwerk

Wie wir beim größten Atheisten Görlitz‘ Mohnpielen aßen.

dessen Umsetzung im Folgenden kurz umrissen werden soll.

Typisch: Die Verfilmung ist schlechter als das Buch.

Den Hobbitfilmen ähnlich soll das Werk als Trilogie in die Kinos gebracht werden, wovon jeder Teil mindestens ein Dreistünder wird. Darin werden die Erlebnisse einer vierköpfigen Reisegruppe, deren Mitglieder sich untereinander und gegenseitig freundschaftlich verbunden fühlen, in epischer Länge ausgebreitet. Die Ein- und Unterteilung der Geschehnisse in die drei Filme wurde nach minutenlangem Abwägen mit Bedacht getroffen.

Ι. Der Zuschauer wird direkt mitten ins Geschehen geworfen: vier Menschen in der zweiten Hälfte ihrer Zwanziger schlendern durch den bezaubernden Stadtkern Görlitz‘ auf der Suche nach einem Café zum Frönen ihrer Lebemännerleben. Das erfolgreiche Auffinden unterliegt der Bedingung, dass dieses Café über freie Sitzplätze in der Sonne verfügt. Mehrere sich anbietende Möglichkeiten werden aufgrund fehlender Eignung verworfen, zufällig (oder schicksalhaft?) wird eine kleine Seitenstraße gewählt, ein Toreingang vom Neugierigen der Gruppe exploriert und eine malerische Kulisse mit freundlichem Ober tut sich vor den Freunden auf. Die Karte wird gereicht und die Gruppe entdeckt die Spezialität „Mohnpielen“ in dieser. Auf Nachfragen beim Ober erklärt dieser das Dessert und merkt an, dass die Mohnpielen traditionell nach der Christmette an Weihnachten gegessen werden. Auf interessiertes Erkundigen nach seinen Kirchganggewohnheiten hin gibt sich der Ober jedoch als größter Atheist Görlitz‘ zu erkennen, was zu Stirnrunzeln aber auch zu großem Hallo unter den Gästen führt. Als Cliffhanger zum zweiten Teil wird die Szene dienen, in der die Bestellung der Mohnpielen aufgegeben wird. Closeshots sind ein Zeigefinger auf der Dessertkarte, sowie die Augen und Münder der Protagonisten. Untermalt wird die Szenerie von bedeutungsschwangerer Musik.

ΙΙ. Spannung wird im zweiten Teil das beherrschende Element. Was wird es wohl mit den ominösen Mohnpielen auf sich haben? Die Freunde rätseln darüber und vertreiben sich die Wartezeit mit anregenden Gesprächen, beschreiben ihre Träume, die sie in der Stadt verwirklichen wollen. Hier scheint zum ersten Mal das Motiv der Reise ein wenig durch. Ein Spannungsmoment: Der Ober nähert sich! Jedoch bringt er vorerst nur die georderten Kaffeespezialitäten. Die Lage entspannt sich wieder ein wenig, man bemerkt die idyllische Szenerie mit den Görlitzer Türmen und Ruinen im Nachmittagssonnenschein. Bei jedem Auftauchen des Kellners spannen sich alle Nerven an und lösen sich, wenn er nicht das versprochene Dessert bringt. Der Spannung wegen soll dies etwa dreimal erfolgen. Doch dann! Die Mohnpielen werden mit einem Schlag Sahne und einem Kännchen Eierlikör gereicht. Der größte Atheist Görlitz‘ lässt sich noch die Grundzüge des Rezepts entlocken, doch die Desserthungrigen hören nur noch mit halbem Ohre hin. Vor türmischer Kulisse werden die Mohnpielen genossen und einer der jungen Männer entdeckt eine alte Liebe wieder – des Kännchens Innerei. Zum Ende des Films halten sich die Freunde lächelnd die Bäuche, doch wurde bisher keine Beurteilung der Mohnpielen vorgenommen; dies soll die Aufgabe des dritten Teils werden. Als Cliffhanger dient ein verräterischer Zitterschwenk mit Zoom auf die Geldbörse des Altpraktikanten. Werden sich die vier Freunde etwa mit unerwarteten Problemen konfrontiert sehen?

ΙΙΙ. Ein Schwenk über die auf den Bäuchen der Kameraden liegenden Hände soll den dritten Teil einleiten. Beim Blick in die Gesichter wird schnell die glückliche Erschöpfung deutlich, die die Mohnpielen bei der Reisegruppe hinterlassen haben. Doch plötzlich bricht es aus allen heraus, das Dessert wird in den höchsten Tönen gelobt, die Idee, die Komposition, die Konsistenz – jeder der Freunde fühlt die Besonderheit dieses Nachmittags in Görlitz. Der ausgebreiteten Mohnpielenbesprechung schließt sich nun der Versuch einer Kontaktaufnahme zwecks Rechnungsorder mit dem atheistischen Ober an. Dieser findet oft aber erfolglos statt, doch anstatt zu verzagen, erklärt sich die Reisegruppe selbst für göttlich, da die Erklärung der Nichtbeachtung offensichtlich im Atheismus des Obers liegt. Schlussendlich gelingt es doch noch, die Aufmerksamkeit des Obers zu erhaschen und die Rechnung zu begleichen. Auf Nachfrage, ob die Türme der Stadt zu besteigen seien, erklärt der größte Atheist Görlitz‘, dass dieses Prinzip erst neuerdings in der Stadt verstanden wurde und es seit kurzem möglich sei, auf die Türme zu gelangen. Bis zum Jahr 2010 etwa waren anscheinend die Türme der Stadt bar jeglicher Funktion. Die Reisegruppe verlässt nun das Café, und um sich die Möglichkeit für einen vierten Teil offen zu lassen, endet der Film damit, dass einer der Freunde in die Gruppe fragt, wo denn die Reisegruppe später zu Abend speisen solle.

Trivia:

Görlitz ist laut Stadttourismusprospekt übrigens „für viele die schönste Stadt Deutschlands“.

In allen drei Teilen wird Til Schweiger im Hintergrund mit einem Sack Katzenbabys sitzen und ihnen die Genicke brechen. Til Schweiger wird weder von den Aufnahmen gewusst, noch etwas von ihnen bemerkt haben. Er wird sich rein zufällig und aufgrund des schönen Wetters zu Eisschokolade und Frühlingsgefühlen in dem malerischen Café eingefunden haben.


¹ Explizit wird an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass das Internet ein rechtsfreier Raum ist und dass der Grantlfant weder irgendetwas unternehmen kann, eine Realisierung der nachfolgend ausgeführten Filmidee zu verhindern, noch vom selbstverständlich darauf folgenden Geldregen für Regisseur, Produzenten und Schauspieler ihren Anteil zu verlangen.